der Weg zur kleinen Schönheit „Ooty“…

Gestern hatten wir die wohl unerholsamste Nacht bis jetzt. Die Betten waren nach meinem Aufstand jetzt zwar sauber, dafür zog eine komplette Klassenstufe am Abend auf unserer Etage ein. An Schlaf war erstmal nicht zu denken, denn Inder sind nicht gerade ein leises Volk… Irgendwann gelang es uns in den Schlaf zu finden, jedoch wurden wir kurz darauf von zahlreichen Moskitos, die durch die nicht verschließbaren Fenster- oder eher Löcher- ins Zimmer kamen, geweckt. Da das Luxushotel es nicht für nötig hielt, in einem feucht schwülen Klima ein Moskitoschutz anzubringen, waren wir kurzerhand von Augenlied bis Fußsohle komplett zerstochen. Schon am Abend hatten wir versucht unser Netz an der Decke anzubringen, fanden aber keine Möglichkeit, weil die Decke zu hoch war. Nachts um drei hatten die surrende Moskito-Foltertherapie aber ein Ende, denn das Surren machte ein völlig verrückt, da wir ja auch wissen, dass jeder Stich einen Krankenhausaufenthalt mit sich ziehen könnte. Ich baute aus Wäscheleinen eine Verlängerung und schleuderte sie ein paar mal um den Ventilator. Wir krochen unter die kleine geschützte Fläche und schliefen ganze fünf Stunden durch!

Nach einem Jogurtfrühstück, auf das wir uns richtig gefreut hatten, ging es also mit dem Bus zurück nach „Sulthan Bathery“ und dann weiter nach „Ooty“. Die Busfahrt war wieder mal eine schöne Gelegenheit auf engen Hautkontakt mit den Einheimischen zu gehen. Beim Einsteigen in den Bus hatten wir Angst, wir müssten die ganzen vier Stunden stehen, denn es waren wieder so viele Leute, die auf unseren Bus losstürmten. Es wird gedrängelt und geschubst, egal ob es eine Mutter mit Kindern ist oder die nette Omi von neben an. Würde man sich in Deutschland so benehmen, müsste man sich mit „erst Aussteigen, dann Einsteigen…“ oder „Warten bis alle ausgestiegen sind…“ Sprüchen begnügen. Wenn der Bus voll ist kommt man nicht mehr rein, egal ob der Bus nur einmal am Tag fährt oder nicht. Also, getrieben von dem Gedanken hier weg zu kommen, schlugen wir uns durch. Alle waren drin und alle saßen auf einem Platz, die erste Hürde war genommen- jetzt nur noch die langweilige Busfahrt hinter uns bringen.

Nach circa 10 Minuten verschoben sich diese Ziele mal wieder, denn an den nächsten Haltestelle stiegen eine ganze Menge Inder ein. Marvin, der Gentleman, stand natürlich für ein altes Muttchen auf, damit sie sich hinsetzten konnte. Blöd gelaufen war nur, dass sie mit drei Kindern unterwegs war und sich alle auf diese Dreierbank quetschten. Ich spürte eine fremde Schulter und einen fremden Ellenbogen, die mich gegen die Wand pressten. Ich beneidete die Kraft dieser Frau, auch wenn zu meinem Nachteil war. Der Gentleman stand eine Weile im Bus und versuchte sein Buch zu lesen, als ihm der beste Sitz im Bus angeboten wurde. Einzelplatz, viel Beinfreiheit und in der ertsen Reihe, der feine Herr. In jedem Bus gibt es einen Platz für den Fahrkartenverkäufer und der ist meist durch ein Tuch dauerhaft reserviert. Keiner kommt auf die Idee sich dort hin zu setzen aus Respekt.

Ich würde lügen,wenn ich schreiben würde, die drei Stunden an der Buswand vergingen wie im Fluge, aber ich biss mich da irgendwie durch. Trotz blauer Schulter und extremer Schweißbildung am Körper durch Ablage des Armes der Dame auf meinem Bein.  Marvin genoss seinen Ehrenplatz in vollen Zügen und ich bekam zum Abschied noch Bananenreste auf meine Hose geschmiert. Der Ehrenplatz konnte nun wieder an seinen rechtmäßigen Besitzer übergeben werden. Die Fahrt nach „Ooty“ war immer wieder durchzogen von Schrecksekunden in denen ich mir wünschte, ich wache in einem schönen warmen weichen Bett auf. Die Bergstrecken waren sehr eng bemessen und entgegenkommende Autos, Busse und LKW’s mussten öfter eine Vollbremsung hinlegen und zurücksetzen. So schleppten wir uns Richtung Ziel. Kurz vor „Ooty“ wurde es auf einmal richtig kalt, die kurze Hose und das T-Shirt waren deutlich fehl am Platz und Marvin holte mir einen Pulli aus seinem Rucksack. Dabei bemerkten wir, dass der Fahrer in Wintermütze und dickem Pullover am Steuer saß, sein Kollege, der Fahrkartenverkäufer, hatte sich sogar Handschuhe eingepackt und angezogen. Wir mussten beide lachen und dachten an die Minusgrade in Deutschland.

In „Ooty“ angekommen muss ich sagen, dass es uns vom ersten Moment an sympathisch war. Nicht nur dass durch die Kakaoplantagen, durch welche wir auf dem Weg durchfuhren, an jeder Ecke handgemachte Schokolade verkauft wurde, sondern auch das Örtchen war irgendwie persönlich, übersichtlich und freundlich. Mit einem Stück Mandelschokolade auf der Hand war der Weg mit den Rucksäcken auch im nu erledigt und wir konnten über die Straßen schlendern, um auf dem Markt schon mal unser Frühstück für morgen zu besorgen und etwas essen zu gehen. Auf dem Weg kosteten wir an einer Straßenküche einen unheimlich leckeren Snack. „Bhel Puri“ ist eine Art Salat aus Mango, Karotten, Limette, Zwiebeln, Tomaten, Koriander, Chili, Salz, Granatapfel und heißen weißen Bohnen. Zum Schluss wird noch klein zerdrücktes Knabbergebäck, welches chipsartig schmeckt, untermischt.

Sehr gesättigt und zufrieden ging es wieder zurück ins Hotel, um den fehlenden Schlaf von letzter Nacht nachzuholen…

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