Ich war früh wach, merkte wie die Höhe mein Gehirn wieder etwas lahm legte, war ein wenig schlapp und setzte mich zum Frühstück auf die Dachterrasse. Es war etwas kühl, aber die Sonne wärmte mich auf.
Ich schnippelte mir die süße und saftige Mango in mein Quinoamüsli und genoss die zuckersüße Cherimoya, die hier, im Gegensatz zu Deutschland, tatsächlich nach Erdbeersahne schmeckt.
Da ich vor meinem Tagesausflug zu den Salzterrassen noch mein Trekking zum „Macchu Picchu“ organisieren wollte, machte ich mich früh auf den Weg in den Stadtkern. Da die Besucherzahlen für den „Macchu Picchu“ täglich auf eine Besucherzahl von 2500 Menschen beschränkt ist, muss das Ticket in den Nationalpark rechtzeitig bei dem Regierungssitz beantragt werden. Hierzu benötigte ich meinen Personalausweiß und die genaue Angabe, an welchem Datum und zu welcher Uhrzeit ich den Berg besteigen möchte. Ich hatte die Auswahl zwischen der Früh- und Spätschicht. Da ich von den Leuten im Hostel von totaler Überfüllung am Nachmittag gehört hatte, entschied ich mich für die Zeit von sechs bis zwölf Uhr.
Ich wurde noch darauf hingewiesen, dass dieses Ticket nur zu besagter Zeit und Datum gültig wäre. Ein Tausch des Tickets sei nicht möglich. Bei einem Preis von 40 Euro beschloss ich deswegen heute nur Selbstgekochtes zu essen, denn eine Magenverstimmung oder mangelnde Fitness konnte ich mir bei dem Preis nicht leisten.
Vor dem Gebäude stand eine nette Frau, die mich fragte, ob ich noch einen Transport nach „Hydroelectrica“, die letzten, mit einem Fahrzeug zu erreichenden Stadt, bräuchte. Sie bot mir den Hin- und Rückweg für 45 Soles an. Alle anderen Angebote die ich mir zuvor eingeholt hatte, lagen bei weit über 70 Soles. Ich zögerte nicht lange und folgte ihr sofort in ihr Büro, um meine Reservierung für den nächsten Tag zu machen. Den Transport und das Ticket in der Tasche wollte ich nun endlich starten, denn für den Nachmittag war Regen angesagt.
Da sprach mich jedoch noch ein anderer Peruaner an, was ich heute so machen würde. Ich berichtete ihm, dass ich hier wohl nicht wirklich etwas machen würde, wegen des teuren Bolettos. Er verstand mich sofort und sagte ich solle mal mitkommen. Ich folgte ihm in sein Büro und er kramte Stadtkarte, Zettel und Stift heraus und zeichnete mir mit allen Einzelheiten auf, wo ich hin könnte ohne das Boletto und wo ich hinwandern könnte. Er riet mir von gewissen Ecken als Alleinreisende ab, von anderen wiederum schwärmte er mir vor. Ich beschloss direkt nach dem „Macchu Picchu“ noch einen Tag diese Route zu laufen und war wieder einmal erstaunt über diese Hilfsbereitschaft ohne Gegenleistung.
Da ich kein Bargeld mehr hatte, beschloss ich zuvor auf die Suche nach einem Geldautomaten zu gehen. Das war gar nicht so einfach. Ich fand nirgendwo einen ATM und fragte Maps.me nach Rat. Maps.me schickte mich durch die Straßen von „Cusco“ und die Umgebung wurde immer skurriler. Ich befand mich mitten im Wohnviertel von „Cusco“ und bei den Gestalten, die sich hier herumtrieben, schrillten meine Alarmglocken: „Das ist hier kein sicherer Ort für blonde Gringa mit Handy und Kreditkarte!“
Ich drehte auf dem Absatz um und lief zurück ins Zentrum. Hier nutzte ich dann lieber die Fragetechnick anstatt Maps.me. Jetzt verstand ich auch, warum ich keinen Geldautomaten gefunden hatte- Sie waren alle in Apotheken versteckt. Diese Automaten verlangten leider aber auch alle hohe Gebühren.
Leicht genervt, mit der Zeit im Nacken, suchte ich eine Bank und reihte mich in die Schlange von 20 Peruanern ein. Wo sich eine Schlange von Einheimischen befindet, kann es keine hohen Abhebegebühren geben, so dachte ich. Nach einer halben Ewigkeit bestätigte sich meine Vermutung und ich bezahlte nichts für meine Auszahlung. In der Schlange lernte ich ein Pärchen aus den USA kennen, die der Verzweiflung nahe waren. Sie bekamen nirgendwo Geld. Wie gut ich dieses Problem noch kannte… Ich riet ihnen, die Kreditgesellschaft anzurufen, um den Grund zu erfragen. Da wir in der Schlange eine ganze Weile Freizeit hatten, klärte sich das Problem noch in der Wartezeit, denn die Bank hatte die Karte gesperrt. Ebenso wie bei uns letztes Jahr. Als sie endlich an der Reihe waren, hatten sie bereits den neuen Pincode.
Nun musste ich aber wirklich los. Es war bereits elf Uhr. Wie durch Zufall fuhr ein Collectivo an mir vorbei, bei dem der Ort mit der richtigen Richtung angeschrieben war. Ich sprang hinein, und bat den Fahrer, mich einfach an der Abzweigung nach „Maras“ hinauszuschmeißen.
Alles kein Problem, nach einer Stunde kam ich an. Da es nach „Maras“ keine Busverbindung gibt, warteten zahlreiche Taxifahrer an der Kreuzung auf Touristen, die keine Tour gebucht hatten. Da waren sie bei mir aber falsch, denn ich hatte vor, die fünf Kilometer zu Fuß zu laufen.
Gesagt getan, marschierte ich auf dem Wanderweg querfeldein. Ich war mal wieder mutterseelenallein unterwegs. Von Weitem sah ich einen Touribus nach dem anderen die Schotterpiste entlang heizen. Ich genoss die traumhafte Berglandschaft, sah jedoch auch, dass sich hinter den Bergen eine dicke Wolkendecke aufbaute.
Auf dem Wanderweg im Nirgendwo saß auf einmal eine Frau, die im Schneidersitz am Stricken war und ihre Esel und Kühe bewachte, die in aller Ruhe am Grasen waren. Sie fragte mich, ob ich zu den Salinas wandern würde und ich unterhielt mich kurz mit ihr, bevor ich weiter zog.
Die Wolken kamen immer näher und meine Schritte wurden schneller. Irgendwann ging der Weg immer steiler bergab. Ich war mir nicht sicher, ob ich hier überhaupt richtig war. Ich fragte einen Feldarbeiter um Rat und er beschrieb mir den Weg. Ich war richtig. Irgendwann landete ich in einer kleinen Schlucht und der Weg war rutschig und steil. Ich spürte meinen Muskelkater noch immer.
Als ich am Abhang stand und der Weg auf einmal endete, war ich etwas ratlos. Von unten kamen zwei Feldarbeiter angerannt und riefen mir zu, ich solle ein Stück zurück gehen und eine andere Abzweigung nehmen, die ich wohl übersehen hatte. Hier ging es weiter, wenn auch steil. Die beiden lieben alten Peruaner kamen mir entgegen und sagten, sie wollten mir helfen den richtigen Weg zu finden, weil ich alleine sei. Sie geleiteten mich bis zu den Salzterrassen und ich war ihnen sehr dankbar. Ich zahlte den Eintritt von zwei Euro und war vom ersten Moment an begeistert von den Salzterassen. Ich sah sie noch ganze fünf Minuten ohne dicke Wolkendecke am Himmel. Geschafft!
Die Tourguides riefen gerade alle Touristen mit Megafon zusammen und zwangen sie zum Aufbruch, denn es donnerte schon kräftig. Nach weiteren zehn Minuten hatte ich die Salzterrassen für mich ganz alleine. Ich setzte mich zu den Arbeitern, die gerade eine Pause machten, bot ihnen ein paar von meinen gesalzenen Maiskörnern an und kam mit ihnen ins Gespräch.
Die Salinen von Maras „Salinera de Maras“ ist die höchstgelegene Salzfarm der Welt. Auf steilen Gebirgsterrassen befinden sich tausende Salzbecken. Was früher das weiße Gold der Inkas war, stellt heute nur noch eine viel zu kleine Einnahmequelle für die hart arbeitenden Anden-Salzbauern Perus dar.
Es ist ein Steilhang, bedeckt mit einem Labyrinth aus Salzbecken – grelles, blendendes Weiß eingebettet in das dunkle Braun der Berge, das sich abhebt vom fruchtbaren Grün des „Valle Sagrado de los Incas“, dem Heiligen Tal der Inkas.
Doch der atemberaubende Ausblick täuscht über das extrem harte Leben der Salzbauern von „Maras“ in der Höhe von 3800 Metern hinweg.
„Maras“ selbst ist ein armes, winziges Bauerndorf und liegt 45 Kilometer nordöstlich von „Cusco“.
Auf dem Weg zu den Salzbecken gibt es viele kleine Verkaufsstände, bei denen überwiegend kleine Salzsäckchen und schöne handgefertigte Skulpturen aus Salz angeboten werden.
Dieses Labyrinth wurde von den Inkas mit Menschenhand erschaffen und ist inzwischen ca. 1.000 Jahre alt. Das wertvolle Salz wurde als weißes Gold der Inkas oder weißes Gold der Anden gehandelt. Im 16. Jahrhundert plünderten jedoch die spanischen Eroberer die Silber- und Salzvorkommen Perus.
Die Salzgewinnung heute erfolgt immer noch wie zu Zeiten der Inkas. Der Begriff Salzfarm gewinnt auch eine eigene Bedeutung, da es tatsächlich so etwas wie eine Erntezeit für das Salz gibt .
Die Salzbecken der Salinen werden zu Beginn der Saison gereinigt. Jeder Salzbauer hat circa fünf bis zehn Salzbecken. Die Arbeit der Salzbauern beginnt mit Sonnenaufgang und endet mit dem Sonnenuntergang – sieben Tage die Woche.
Das stark salzhaltige Wasser für die Salzgewinnung kommt aus dem umliegenden Gebirgsmassiv und fließt in extra dafür angelegten und ausgeklügelten Kanalsystemen in kleinen Rinnsalen in sehr flache Becken.
Die Sonne und die trockene Luft sorgt dafür, dass der Großteil des Wassers schnell verdunstet. In den Becken bleiben eine breiige Salzmasse, die Sole und die kostbare Kruste mit weißen Salzkristalle zurück.
Die Salzkruste wird eingesammelt, getrocknet und zu Salz-Granulat verarbeitet. Von Mai bis August gilt es dann auf Hochtouren und hart zu arbeiten, um zumindest ein bisschen Geld aus dem Verkauf des Salzes zu verdienen.
Keiner der Salzbauern aus dem armen Bergdorf Maras verdient, trotz härtester körperlicher Arbeit, auch nur ausreichend Geld für ein einfaches Leben – „viel zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben“. So erzählte es mir der aufgeschlossene Salzbauer.
Die Salzbauern der Salinen von Maras haben sich in ihrer Not zu einem Kollektiv zusammengeschlossen, in der Hoffnung bei den Salzexporteuren bessere Preise durchsetzen zu können. Doch bis heute streichen sich die großen Exporteure die Gewinne aus dem Geschäft mit dem „weißen Gold der Anden“ ein. Die hart arbeitenden Salzbauern bleiben dabei noch immer auf der Strecke.
Als es anfing zu Regnen, wollte auch ich mich auf den Weg zurück machen. Ich wusste, dass der Weg im Regen rutschig sein würde und mir war etwas mulmig zumute.
Am Parkplatz stand ein holländisches Pärchen, welches gerade mit einem Taxifahrer verhandelte. Ich fragte sie, ob sie zurück nach „Cusco“ wollten. Ja, wollten sie. Zu dritt sprangen wir für einen Euro pro Person ins Taxi und hatten eine angenehme Fahrt durch den Regen. Nach einer Stunde kamen wir in „Cusco“ an und die Sonne kämpfte sich wieder durch die Wolken.
Ich war hungrig und kaufte mir eine leckere Empanada aus Maismehl mit Hack gefüllt, aber aus einem recht modernen und sauberen Restaurant. Ich hatte ja noch Pläne…
Ich schlenderte mit meiner Empanada durch den Markt, um noch ein wenig für meinen Treck zu besorgen, denn ich wurde bereits vorgewarnt, alles Essen und Wasser hier zu kaufen, denn auf dem Weg und in „Aguas Caliente“ wo ich morgen Abend übernachten werde, würde es teuer werden.
Bei diesem ganzen duftendem Essen konnte ich nicht einfach so daran vorbei laufen und kaufte mir fünf gekochte Wachteleier und einen leckeren Salat aus Bohnen, Huhn, Karotten, Peperoni, Mais und roter Beete. Alles ein wenig säuerlich eingelegt und ober lecker.
Als ich im Hostel ankam und wieder im Wlan war, erreichte mich die traurige Nachricht, dass die Brasilianerin krank geworden war und den „Macchu Picchu“ erst später besteigen könne.
Ich freute mich trotzdem auf meinen Trip und gesellte mich zu zwei Mädels aus Italien auf die Dachterrasse. Die beiden hatten den „Macchu Picchu“ bereits bestiegen und gaben mir noch ein paar Tips.
Ich packte meinen Rucksack für zwei Tage und reservierte mir eine weitere Nacht im Hostel, denn ich würde in zwei Tagen erst spät abends wiederkommen. Um acht Uhr lag ich im Bett und schlief tief und fest.